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Revision des kulturellen Gedächtnisses im Spannungsfeld multipler Nah-und Fernfremde

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Title: Revision des kulturellen Gedächtnisses im Spannungsfeld multipler Nah-und Fernfremde

Author, co-author: Wiegmann, Eva

Abstract: Der Beitrag fokussiert den trilateralen Kultur- und Gedächtnisraum Luxemburg und lehnt sich dabei an das theoretische Konzept der lieux de mémoire an, das sich nicht nur auf konkrete Orte, sondern auch auf darüber hinausgehende komplexere Zusammenhänge bezieht und damit diskursiv erzeugte Raumkonstruktionen in den Blick nimmt. Das luxemburgische Territorium steht seitjeher im Spannungsfeld multipler „Nahfremde“ (Harald Weinrich), deren normative Konnotation sich jedoch im Verlaufe der letzten 100 Jahre, vor allem natürlich aber im Kontext der Europäischen Union massiv verändert hat. Die ständige Bedrohung durch Hegemonialansprüche umliegender Staaten ist einer Affirmation gewichen, die gerade in der Geschichte wechselnder Fremdherrschaft und den damit einhergehenden transkulturellen Erinnerungsgeflechten einen Mehrwert erkennt und der Luxemburger „Mischkultur“ (Batty Weber) einen europäischen, wenn nicht globalen Vorbildcharakter verleiht. Diese dominante Prägung des kulturellen Gedächtnisses sowie die Autoimagination des Großherzogtums Luxemburgs als weltoffenes und interkulturelles Land par excellence wird im gegenwärtigen literarischen Diskurs des Landes stark hinterfragt und mit dem Umgang mit Migranten aus der „Fernfremde“ konfrontiert. Guy Helmingers Roman Neubrasilien erzählt bspw. ein Konter-Narrativ, das im weitesten Sinne an das postkoloniale Projekt der Gegengeschichtsschreibung anknüpft. Indem der transkulturellen Erinnerungsraum über den Bereich der zentraleuropäischen Nahfremde hinaus bis nach Montenegro und Brasilien ausgeweitet wird, unternimmt dieser Text eine Art Revision des kulturellen Gedächtnisses, indem er das Vergessene oder Verdrängte wieder in Erinnerung zu bringen sucht. In diesem konkreten Fall handelt es sich um die Geschichte Luxemburgischer Auswanderer, die im frühen 19. Jahrhundert keine andere Möglichkeit sahen als ihr Glück im fernen Brasilien suchen. Dabei wird diesem Erzählstrang ein zweiter gegenübergestellt, der die Immigration von Montenegrinern ins heutige Luxemburg zum Gegenstand hat. In dieser Konfrontation von gestern und heute, von Aus- und Einwanderung werden ortsgebundenen Symboliken der Erinnerung in Bewegung versetzt und aus dem rein nationalen Bezugsrahmen gelöst. Dabei vermittelt das literarische Medium hier nicht nur ein Konter-Narrativ, sondern stellt über die Transformation der Sinnbezüge auch handlungsleitende Grenzziehungen zwischen Eigenem und Fremden, Nahfremde und Fernfremde in Frage.

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