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Rendezvous mit Venus. Unheimliche Begegnungen mit der Antike in Eichendorffs ‚Das Marmorbild‘

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Title: Rendezvous mit Venus. Unheimliche Begegnungen mit der Antike in Eichendorffs ‚Das Marmorbild‘

Author, co-author: Wiegmann, Eva

Abstract: An sog. Epochenschwellen, an denen die traditionellen Identitätskonstruktionen vom geschichtlichen Fortschritt überholt werden, dienen Auseinandersetzungen mit dem kulturell Anderen in besonderen Maße der Identitätsklärung, -sicherung oder -konstruktion, darüber hinaus aber auch der progressiven Erweiterung der Selbst- und Weltwahrnehmungsmöglichkeiten. Um Wertvorstellungen neu auszutarieren fand immer wieder eine Auseinandersetzung mit der Antike statt, die als diachroner Referenzpunkt stets im Spannungsfeld von Fremdkultur und europäischem Kulturerbe steht und in der literarischen Imagination eine Kopplung von Verfremdungseffekten mit Aspekten horizonterweiternder Fremdbegegnung ermöglicht. Insbesondere die literarische Romantik, die sich trotz einer tendenziell eher nationalistischen Ausrichtung insgesamt durch eine Schwäche für exotische Motive auszeichnet (vgl. Lope 1985), weist in ihrem progressiven Ringen um eine Neuverortung von Kultur und Ästhetik auffallend häufig Imaginationen von Begegnung mit zum Leben erweckten historischen Hochkulturen in der Gegenwart auf. Anders als synchrone Fremdkulturen entzieht sich die Antike, wie sie beispielsweise in Joseph von Eichendorffs Novelle Das Marmorbild in Erscheinung tritt, einer empirischen Festschreibarkeit und Erforschbarkeit, wie sie Reiseberichte aus der Zeit um 1800 (bspw. von Alexander von Humboldt) suggerieren . Als vergangene Kulturform ist sie in der Gegenwart nicht mehr konkret erfassbar und nur noch in bruchstückhaften Relikten vorhanden, die der literarischen Imagination verschiedenste Spielräume öffnen. Dementsprechend ist die Repräsentation vergangener Hochkulturen in der Romantik häufig von einer Aura des Rätselhaften umgeben. Die Konfrontation mit dieser unheimlichen Fremdheit ist, wie am Beispiel von Eichendorffs Novelle gezeigt werden soll, auf eine Pluralisierung der Weltzugänge ausgerichtet, wobei das hermeneutische Spektrum auf divergierende, diachrone Kulturformen projiziert wird.

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